Der gegenwärtig zweitgrößte der sieben hinzugewonnenen Stadtteile der ehemaligen Festungsstadt Saarlouis hat eine Geschichte aufzuweisen, die länger und vielfältiger ist, als die der heutigen Namensgeberin, die plötzlich kurz nach 1680 da war, weil König Ludwig XIV. von Frankreich nach dem Frieden von Nijmwegen in die Kette der Festungen im nordöstlichen Grenzraum seines Reiches eine weitere, strategisch wichtige Perle einreihen wollte, um Frankreich gegenüber den Bedrohungen durch seine östlichen Nachbarn zu sichern. Begeistert schrieb Thomas de Choisy, der den geeignetesten Platz erkunden sollte, am 21. Oktober 1679 aus dem nahen Thionville an den französischen Kriegsminister Francois-Michel le Tellier, Marquis de Louvois:
A une petite lieue au dessus de Vaudrevange il y a une abbaye de dames de la
despendance de sa justice, que l’on nomme Fraloutre, aussi pays de Lorraine, qui est
sur le bord et au delà de la Sarre. Le costé de deca est une grande et belle prairie
spacieuse qui a près de demy lieue de large et une lieue de long au moins ; de l’autre
costé où est l’abbaye c’est un bon terrain ferme et plus eslevé que la prairie de cinq ou
six pieds ;
Eine kleine Meile oberhalb der Stadt Wallerfangen befindet sich unter deren Gerichtsbarkeit eine Damenabtei, die man Fraloutre nennt, auf der anderen Saarseite gelegen, auch lothringer Land. Diesseits liegt eine große und schöne weite Wiesenfläche, fast eine
halbe Meile breit und mindestens eine Meile lang. Auf der anderen Seite, wo sich die Abtei befindet, ist guter, fester Boden, 5 oder 6 Fuß höher gelegen als das Wiesengelände.
C’est une des plus belle et des plus heureuses scituations que j’aye encore veu, et l’on y peut faire une des meilleures places de France,
Es ist hier eine der schönsten und günstigsten Lagen, die ich je gesehen habe und es ließe sich eine der besten Festungen Frankreichs anlegen.
Et quant à l’entrée dans le pays de delà il n’y en auroit pas une plus scure ni meilleure,
qui n’auroit jamais qu’une seulle ataque, encore très difficile par les caux courtes et
rapides qui passeroient dans les fossez.
Was einen Angriff von jenseits angeht, so gäbe es keinen sichereren und besseren Platz, gleichgültig welchem noch so schweren Angriff er ausgesetzt wäre.
Ce seroit un bel entrepos pour Hombourg qui n’en est qu’ à neuf lieues communes de
France et autant jusques à Trèves ;
Das wäre eine ausgezeichnete Zwischenstation nach Homburg, das nur 9 französische Meilen entfernt ist, und ebenso weit ist es bis Trier.
Le chasteau de Sarbrick est un des plus meschants postes pour fortifier que l’on puisse
voir ; ….. et le poste ne vaut pas la peine d’y faire cent francs de despence.
Das Schloß von Saarbrücken ist eine der zu Befestigungszwecken erbärmlichsten Punkte, die gefunden werden können ... und der Punkt lohnt nicht die Mühe, 100 Franken
auszugeben.
Am 26. Oktober 1679 schreibt Louvois an Choisy zurück und bezieht sich auf dessen Vorschläge.
Le Roy a veu la proposition que vous faites à l’esgard de la fortiffication de Fraloutre. S. M. seroit bien ayse que vous y retournassiez pour faire un plan au juste des environs de cette scituation et luy envoyer des profils qui luy pussent marquer les différentes hauteurs du terrain qui est à la portée du canon autour de cette scituation. Elle voudroit bien aussy une estimation de la despense de cette place et des réparations à faire aux arguemines.
Der König erhält offensichtlich seine weiteren Informationen, so dass seine restlichen Bedenken zerstreut sind. Ludwig XIV. stimmt schließlich dem Bau der Festung am vorgeschlagenen Platz zu.
Am 9. November 1679 schreibt Louvois dem Generalbeauftragten für das Festungswesen Vauban:
"J' ai réceu vostre lettre du 4e de ce mois. Le Roy a résolu la construction d' une place à Fraloutre, où le sieur de Choisy est présentement pour faire un projet, que j' espère que vous trouverez ici lorsque vous y passerez et que vous en prendrez le chemin pour en retourner chez vous."
" Ich habe Ihren Brief vom 4. des Monats erhalten. Der König hat sich für den Bau einer Festung bei Fraloutre entschieden. Dort hält sich Sieur de Choisy auf, um einen Plan zu machen, den Sie , wie ich hoffe, vorfinden werden, wenn Sie hier vorbeikommen und den Sie mitnehmen können, wenn Sie nach Hause fahren."
Am 11. Dezember 1679 schreibt Louvois an Choisy und teilt ihm mit, dass er zum Gouverneur von Fraulautern ernannt worden sei :
" S.M. approuve que laissant au premier du mois prochain le commandement de
Thionville au sieur d' Espagne vous ne laissiez pas de rester encore pour trois ou quatre mois dans le logement que vous occupez. Cependant je vous donne advis avec le plaisir que S.M. a bien voulu vous donner le gouvernement de Fraloutre. Elle s' attend que vous tascherez de mériter par une grande aplication à la conduite des ouvrages dont vous estes chargé la grace qu' il luy plaist de vous faire."
" Ihre Majestät billigt es, dass Sie zum Ersten des nächsten Monats den Oberbefehl in Thionville dem Sieur d' Espagne überlassen und dass Sie noch drei oder vier Monate Ihre jetzige Wohnung behalten könnten (...)
Indessen gebe ich Ihnen mit Freuden die Nachricht bekannt, dass Ihre Majestät Ihnen wohlgewogen, das Gouvernement von Fraloutre überträgt. Ihre Majestät erwartet, dass Sie durch grosse Aufmerksamkeit bei der Ausführung der Arbeiten sich die Gunst erhalten, die Ihnen zu gewähren Ihrer Majestät gefallen hat."
Dann fing man an zu bauen dort, wo Sebastien le Prèstre de Vauban sie als Sechseck in die Saaraue eingezeichnet hatte, so dass die Gazette de Paris in ihrer Nr. 6 aus 1680 schreiben konnte:
De Metz, le 11 janvier 1680
On travaille à faire une place considerable sur la Saar
à Sarloutre auprès de Vaudrevange. On la nommera
Sar.Louis & le Roi en a donné le Gouvernement au
sieur de Choisy Gouverneur de la Citadelle de Cam-
bray & Commandant de Thionville.
Ja, Fraulautern war schon am Pariser Hofe bekannt, bevor Saarlouis existierte.
Bekannt war es vor allem durch sein Kloster (s. monialium lutrensis), zunächst am 20. Mai 1120 von einem örtlichen Edelfreien unter die Abhängigkeit der Benediktinerabtei Mettlach gestiftet, die wenig Interesse an der Besiedelung hatte, dann aber nach Rückkauf der Stiftung durch den Stifter Adelbertus ab Oktober 1142 unter dem Trierer Erzbischof Albero von Montreuil neu besiedelt mit Augustinerchorherren und –frauen aus Springiersbach, zunächst als Doppelkonvent. Bald mit höchsten päpstlichen Privilegien versehen, entwickelte sich die Klostergründung zu einem reinen Frauenkonvent, der sich durch kluge Entscheidungen seiner Meisterinnen und Äbtissinnen über vielerlei Höhen und Tiefen bis zu seiner Aufhebung im Zuge der französischen Revolution neben Remiremont zu dem reichsten hochadeligen Frauenstift im lothringischen Grenzland entwickelte.
In Fraulautern genossen Bildung, Erziehung und Versorgung die Töchter des niederen und höheren Adels der Eifel und des Mosellandes, aus Luxemburg und dem trierischen Raum, aus dem Naheraum und vom Elsass, aus Lothringen und dem ganzen Westrich.
Und wer weiß nicht, dass auf Fraulauterner Bann bereits die Kelten siedelten, die u. a. auf dem Gebiet des heutigen Steinrausch ein aus mehreren Hügeln bestehendes Gräberfeld einrichteten.
Wer weiß nicht, dass Fraulautern von einer Römerstraße durchzogen war und dass es hier einen römischen Brennofen gab und dass die Römer ein ausgedientes Gräberfeld an der Grenze zu Ensdorf am „Saarstrom“ hinterließen wo auch ganz in der Nähe ein herrlicher Hortfund von römischen Götterstatuen gemacht wurde.
Und wer weiß nicht, dass der ursprüngliche Siedlungsort um die alte frühere Kirche auf dem Friedhof - ursprünglich wohl eine Kirche der heiligen Apostel Petrus und Paulus, die erst später zur Zeit der Äbtissin Apollonia von Gressenich das Patrozinium Hl. Apollonia erhielt - im Unterschied zum Kloster und der dortigen Ansammlung von Höfen, Kirchweiler und später Kirchhofen hieß und nachweislich bereits im 10. Jahrhundert Pfarrkirche war mit allen Rechten und Pflichten, dann wesentlich später sogar Mutterkirche von Wallerfangen, Beaumarais, St. Barbara und Oberlimberg.
Ja, wer alles dies und das, was wir an dieser Stelle nach und nach ergänzen werden, noch nicht weiß, oder genauer wissen will, oder wer vielleicht sogar noch mehr weiß als wir, der ist in unserem Verein für Geschichte und Heimatkunde Saarlouis-Fraulautern e. V. jederzeit herzlich willkommen zum Austausch von Informationen, zu Vorträgen und Filmabenden oder auch nur zum Hören in den geselligen, in 14tägigem Rhythmus stattfindenden Arbeitsgemeinschaften. Bringen Sie Bilder und Schriftgut über Fraulautern mit, von denen Sie meinen, dass sie uns interessieren könnten oder bei denen Sie Fragen haben, die wir Ihnen gerne beantworten.
Bevor Sie bei Umzügen oder Sterbefällen Fotos, Erinnerungsstücke oder schriftliche Unterlagen weggeben oder sogar entsorgen, geben Sie uns all diese Dinge in Obhut. Wir sorgen uns darum und erhalten es für die Nachwelt.
Unser Vereinsraum im Torhaus Soubise
Bild links: Anne Victoire Marie de Soubise / rechts: Charles de Rohan - Soubise
Bei dem Torhaus der Prinzessin Soubise, in Fraulautern im allgemeinen nur „Torbogen“ genannt, handelt es sich um den Rest eines ursprünglich etwas größer angelegten Ensembles. Der Torbau, ein zweigeschossiges, barockes Torhaus mit Mansarddach und feinprofilierten Segmentbogenfenstern über der großen, pilastergerahmten Tordurchfahrt, hatte ursprünglich nach Osten zu einen weiteren Wohnflügel mit 8 Fensterachsen, im Untergeschoß in Bruchstein, im Obergeschoß in verputztem Fachwerk errichtet. An der rechten Seite hatte das Torhaus keinen Anbau. Sicher war allein schon aus Gründen der Symmetrie ein solcher gleichschenkliger Flügel wie an der linken (östlichen) Seite geplant, denn die Gesimse liefen an der rechten Giebelseite nicht um das Gebäude herum, sondern waren vorsorglich weggelassen worden. Möglicherweise waren es finanzielle Gründe, die einen gleichseitigen Aufbau auch des anderen Flügels verhinderten. Diese Vermutung liegt deswegen nahe, weil in einem vertraulichen Bericht über den Hof der Prinzessin Soubise vom
7. Februar 1759 nach Paris erwähnt wird, dass die Prinzessin dem Architekten Favart noch eine gewisse Summe Geldes schuldet.
In der ortsgeschichtlichen Literatur war über Jahrzehnte hinweg die Auffassung vertreten worden, dass es sich
bei der Prinzessin Soubise um eine der Geliebten von Ludwig XIV. gehandelt habe, der diese Dame ins Kloster Fraulautern verbannt habe.
Tatsächlich handelt es sich bei der verbannten Prinzessin um Anne Victoire Marie Christine de Rohan, Princesse de Soubise, geborene Prinzessin von Hessen-Rheinfels-Rotenburg, die am 25. Februar 1728
als ältestes von vier Kindern des Landgrafen Joseph zu Hessen-Rotenburg und seiner Gemahlin Christina Anna Louisa Oswaldina Fürstin zu Salm geboren wurde.
Sie war verheiratet mit Charles de Rohan, Prince de Soubise, geboren am 16. Juli 1715, späterem Marschall von Frankreich, Günstling und intimer Freund der Marquise de Pompadour und von König Louis XV.
Im Juni 1757 wird die Prinzessin Soubise durch „lettre de cachet“ zunächst nach Ablon bei Choisy-le-Roi verbannt, erhält später die Anordnung, sich nach Fraulautern zurückzuziehen, wo sie im August 1758 eintrifft. Mit einem doch sehr umfassenden „Hofstaat“ bleibt sie dort bis November 1763. Ende 1763 ist das Exil der Prinzessin beendet. Sie besucht zunächst ihre Verwandten in Deutschland, bevor sie wieder zurück nach Paris geht.
Nach dem Tode ihres Ehemannes (am 4. Juli 1787) lebt die Prinzessin weiterhin in Paris, gerät aber bald in die Fänge der Französischen Revolution. Als sie angeklagt wird, benötigt sie einen bewährten Anwalt, den sie in Jean-Francois Morel findet. Sie entscheidet sich für ihn nicht nur als Anwalt, sondern auch als Ehemann und heiratet ihn kurzerhand. Damit erspart sie sich nicht nur die Anwaltskosten, sondern auch den frühzeitigen Tod unter der Guillotine.
Dass die Prinzessin de Soubise nicht die Geliebte Ludwig XIV. gewesen sein kann, ergibt sich ganz einfach aus den Lebensdaten. Ludwig XIV. starb am 1. September 1715 im Alter von fast 77 Jahren in Paris; die Prinzessin de Soubise ist erst nahezu 13 Jahre nach dem Tode des „Sonnenkönigs “ geboren.*
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* vgl. Guido Fontaine, Verbannt ans Ende des Reiches in Unserer Heimat, Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft, 20. Jahrgang 1995, Heft 3 und 4;
Guido Fontaine, Mit Hofstaat ins Fraulauterner Exil, Saarbrücker Zeitung vom 20.05.1994, Nr. 116
Guido Fontaine, Das Torhaus der Prinzessin Soubise in Festbuch zum Jubiläum „250 Jahre Schule in Fraulautern“, Saarlouis 1994, Seite 354 ff.